Trauspruch: Ruth 1, 16
Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.
Liebe Hochzeitsgemeinde, liebes Brautpaar,
Es gibt zwei Dinge, die können eine Ehe schon zu Beginn gründlich ruinieren - oder sie auch erst richtig fest machen. Das eine ist, wenn man gemeinsam ein Haus bauen will. Wenn man neben all dem üblichen Stress, neben Leben in Lärm und Staub, wenn man sich nun auch noch unter Druck einigen muss, über Farben und Ausstattungen, Geld und Finanzierungsfragen. Nicht nur das Haus, auch manche Ehe erleidet dabei zuweilen einen Bauschaden: Wenn das Haus fertig ist, ist es die Ehe auch. Das gibt es. Andere aber erleben: Wir haben das geschafft, dann schaffen wir auch alles Weitere.
Das Zweite ist, wenn einem das Haus abbrennt, und das womöglich noch in der Zeit der Hochzeitsvorbereitungen. Da planst du ein wunderbares Fest und dann brennt es, die Nerven liegen blank. Man lernt sich noch mal ganz anders kennen, ungeschminkt bis in die Tiefe des Lebens. Nichts ist wie geplant. Es gibt einige Grenzbelastungen.
Der Trauspruch aus dem Buche Ruth entstammt einer solchen Situation. Da steht nach schicksalhaften Grenzbelastungen plötzlich auch die Möglichkeit einer Trennung im Raum, einer ehrenhaften und angesichts der Situation völlig verständlichen Trennung. Orpa, die Schwester der Ruth wird diese Möglichkeit wählen. Sie sagt mit einem Klassiker der Manhattans: "Lets just kiss and say good bye". Ein letzter Kuss und lebe wohl.
Die Worte der Ruth an dieser Grenze aber werden zu einem der beliebtesten Trausprüche aller Zeiten, ein Segen für viele Ehen. Sie sind jetzt auch euer Trauspruch.
Die Geschichte dazu spielt vor über 3000 Jahren in der Richterzeit. Es ist Hungersnot im gelobtem Land, eine wirtschaftliche Flaute - so was soll vorkommen. Noomi, eine Frau aus Bethlehem, und ihre Familie haben sich als Gastarbeiter nach Moab begeben. Zwei Söhne hat sie, die integrieren sich schnell im Einwanderungsland. und sind auch bald verheiratet: mit Ruth und mit Orpa - so heißen die beiden Töchter des fremden Volkes. Aber dann, als ob die Armut nicht schon genug Unglück sei, stirbt erst der Mann der Noomi und danach die beiden Söhne. Damit endet auch die Aufenthaltsberechtigung für sie als Ausländerin. Sie muss zurück in ihr Herkunftsland. Bis zur Grenze begleiten Ruth und Orpa ihre Schwiegermutter. Es gibt zwar wieder Brot in Bethlehem, wirtschaftlich geht es aufwärts, aber der Mensch lebt nicht von Brot allein. Was bleibt der alten Dame noch? Sie hat alles, was sie liebte verloren. Nun muss sie auch noch aus dem Haus, in dem sie gerade eine neue Heimat gefunden hatte.
So stehen da drei Menschen an dieser Grenze, vom Schicksal schwer gebeutelt.
„Geht ihr zurück, ihr seid jung, ihr könnt noch einmal heiraten, Kinder bekommen und vielleicht in einer anderen Familie glücklich sein“, so will sich Noomi verabschieden. Das Alter hat kein Recht, dem Glück der Jugend im Wege zu stehen und eine Schwiegermutter schon gar nicht. Aber dann eben fallen diese großen Worte. Nein, sie fallen nicht, sie stehen da in einsamer Größe mitten in dieser Erzählung. Mit ihnen wird aus der alltäglichen und traurigen Geschichte dreier Todesfälle und einer Abschiebung von Ausländern -- mit diesen Worten wird daraus nun eine wunderbare Liebesgeschichte. Deren Segen wirkt über Generationen hinweg weiter. Der König David wird der Urenkel von Ruth. Und auch Jesus führt diese Uraraberin im Stammbaum.
Ruth’s Geschichte: eine Geschichte von Treue, eine Geschichte von Liebe, eine Geschichte, die Grenzen überwindet, Völker und Religionen zusammenbringt und schweres Schicksal meistert.
Es hat seinen guten Grund, dass jene Worte zu einem der beliebtesten Trausprüche geworden sind.
Vielleicht liegt es auch daran, dass sie gesprochen werden, als eine Scheidung ansteht. Das jedenfalls ist eine Möglichkeit. Die Bibel verurteilt das nicht. Vielleicht ist es in der Situation sogar vernünftig.
Orpa küsst ihre Schwiegermutter und geht, mit Tränen in den Augen. Ruth hingegen lässt sich nicht zu ihrem vermeintlichen Glück bewegen, dem scheinbar einfacheren Weg, sich jetzt zu trennen. Sie antwortet: „Rede mir nicht ein, dass ich dich verlassen und von dir umkehren soll. Rede mir nicht ein, dass eine Trennung jetzt wohl das Beste wäre.“ Sondern: „Wo du hin gehst, da will ich auch hin gehen, wo du bleibst, bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott. Nur der Tod wird mich von dir scheiden.“
Die Worte “bis der Tod euch scheidet”, die ihr nachher bei der Traufrage wieder hören werdet, sie stammen also ursprünglich aus einer anderen Lebenspartnerschaft als der Ehe von Mann und Frau. Aber gerade so markiert dieses Wort auch für eine Ehe, was Liebe ist und was Treue ist. Zwei Menschen gehen durch gute und böse Tage. Es ist eine freiwillige Bindung, die sie zusammenhält. Es ist eine Bindung, die davon lebt, dass auch in der Tiefe des Lebens nicht vergessen ist, was in der Höhe gesprochen wurde: „Wo du hin gehst, da will ich auch hin gehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.“
In Freiheit, liebes Brautpaar, habt ihr zueinander gefunden. Es ist dabei das Vertrauen zueinander gewachsen, das nun diese Trauung möglich macht. Die Worte der Ruth werden dabei jetzt auch zu euren Worten, die ihr heute zueinander sagt: „Wo du hin gehst, will ich auch hin gehen.“ Gerade nach den tiefen Erfahrungen eures Lebens haben sie für euch noch einmal ein besonderes Gewicht.
Ich als Pfarrer freue mich dabei heute ganz besonders über die himmlischen Fügungen, die uns hier zusammen geführt haben.
Am Anfang war ich selber auch im Hausbau, mit viel Lärm und Staub beim Bau unseres Kindergartens und des neuen Gemeindebüros. Dazu noch all das, was ein Pfarrer sonst noch so zu Ostern und zur Konfirmation zu tun hat. Das von der deutschen Telekom versprochene DSL für's Internet gab es nicht. Damit ist man heutzutage ja fast von der Welt abgeschnitten. So habe ich Hilfe gesucht. „Herzlich willkommen bei der Deutschen Telekom, zur Zeit sind alle Anschlüsse belegt. Wir verbinden sie mit dem nächsten freien Mitarbeiter.“ Die Worte prägen sich durch endlose Wiederholungen ein. Viele Mitarbeiter der Telekom lernte ich in den nächsten Tagen dann am Telefon kennen. Doch am Ende stand das Fazit: Hier hilft nur beten. Aber das half dann auch wirklich. Es war ausgerechnet die Frau aus erster Ehe, die die entscheidende Vermittlungsleistung erbrachte. „Daniels Vater kriegt das hin.“ In der Kirche sind wir uns dann begegnet zur Konfirmation des Sohnes. Ergebnis: Ich hatte schnell wieder ein funktionierendes Telefon und mit viel Geduld und der beharrlichen Ausdauer des Bräutigams inzwischen auch DSL 16000. Im Gegenzug habt ihr jetzt eine kirchliche Trauung mit Gottes Segen für die guten Zeiten des Lebens, erst recht aber für die bösen Tage. Wir alle haben heute gewiss ein wunderbares Fest. Ein Fest der Liebe, des Glaubens und Vertrauens und einer Hoffnung, die weiß, dass Gott alles zum Besten wenden kann und wenden will, dass er auch aus aller Konfusion noch was Gutes schafft, mit vielen guten Verbindungen im Himmel und auf Erden.
Im Vertrauen darauf, dass er aus all dem was uns gelingt und erst recht aus dem, was uns misslingt seine Geschichte schreibt, im Vertrauen, dass er uns nahe ist, in schönen Wohnungen und Häusern und erst recht dort wo wir abgebrannt sind, im Vertrauen darauf könnt ihr euch heute das Ja-Wort geben, als euer heutiger fester Wille miteinander zu gehen und euch die Treue zu halten, bis der Tod euch scheidet.