Geist > Abschied
1. Mose 50, 15 -22, Happy end
eine Predigt zur Josefsgeschichte
Straßenfest 2017
Schön, dass sie da sind hier auf dem Fest in großer Zahl (und auch der Himmel in Gestalt von freundlichem Wetter). Für mich ist dieser Festgottesdienst auch ein wichtiges Stück von Kirche wie ich sie mir vorstelle und wie sie seit der Speisung der 5000 Tausend auch alter Tradition entspricht. Als ich vor 35 Jahren hier her kam da saßen wir an diesem Tag mit 11 Leuten etwas deprimiert oben in der Kirche und hier unten auf dem Platz waren die Landfrauen und Geflügelzüchter und warteten respektvoll, bis die Kirche beendet war und das Fest beginnen konnte.
Für mich hieß damals: Raus gehen, hin zu den Menschen und Gottes Segen in jeden Verein bringen.
Heute sind wir hier, Gott sei Dank, ein paar mehr als Elf. Wir feiern gemeinsam die Dorfgemeinschaft, selbst wenn wir mittlerweile Stadt sind. Wir feiern die Straßen, die uns verbinden, und machen damit auch deutlich, daß die Wege zwischen unseren Häusern nicht zuerst dem Autoverkehr sondern dem menschlichen Verkehr dienen sollen. Auf ihnen kommen wir zueinander und heute loben wir dazu die Größe Gottes.
Psalm 103
2 Auf, mein Herz, lobe den HERRN
und vergiss nie, was er für dich getan hat!
3 Meine Schuld hat er mir vergeben,
von Krankheit hat er mich geheilt,
5 Mit guten Gaben erhält er mein Leben,
täglich erneuert er meine Kraft
und ich bleibe jung und stark wie ein Adler.
8 Das Leben ist voll Liebe und Erbarmen,
voll Geduld und Güte.
9 Gott klagt nicht immerfort an
und bleibt nicht für alle Zeit zornig.
11 So groß wie der Himmel
ist seine Güte zu denen, die ihn ehren.
14 Er weiß, was für Geschöpfe wir sind;
Wir sind nur Staub!
15 Der Mensch ist vergänglich wie das Gras,
es ergeht ihm wie der Blume
16 Ein heißer Wind kommt – schon ist sie fort,
und wo sie stand, bleibt keine Spur von ihr.
17 Doch die Güte Gottes bleibt für immer
Auf mein Herz, lobe den HERRN!
Laudate omnes gentes
Was kommt auf uns zu? Soviel Neues strömt auf uns ein, nicht nur Gutes. Wir bekommen Angst, werden mutlos, wollen nur noch das Vergangene festhalten, machen dicht und sehen nicht, dass in allen Veränderungen auch Gott neu auf uns zu kommt - voller Chancen und Möglichkeiten. Wir bitten um seinen Geist, den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Wir rufen zu ihm:
Kyrie eleison
Evangelium
Dieses Wort ist das Happy-End einer Erzählung, die mit viel Weisheit verschiedene Traditionstränge verschiedener Stammesgruppen so verbindet, dass die sich trotz aller Gegensätze von Herkunft und Eigenart als ein Volk verstehen können. Die Geschichte handelt von einem genialen, geistbegabtem, Wirtschaftsminister, der in den fetten Jahren das Richtige tut, um auch für magere Zeiten gerüstet zur sein.
Wir hören das Ende der Geschichte von Joseph und seinen Brüdern. 1. Mose 50, 15 - 22
Die Brüder Josefs aber fürchteten sich, als ihr Vater gestorben war, und sprachen: Josef könnte uns gram sein und uns alle Bosheit vergelten, die wir an ihm getan haben.
Darum ließen sie ihm sagen: Dein Vater befahl vor seinem Tode und sprach: So sollt ihr zu Josef sagen: Vergib doch deinen Brüdern die Missetat und ihre Sünde, daß sie so übel an dir getan haben. Nun vergib doch diese Missetat uns, den Dienern des Gottes deines Vaters!
Aber Josef weinte, als sie solches zu ihm sagten.
Und seine Brüder gingen hin und fielen vor ihm nieder und sprachen: Siehe wir sind deine Knechte.
Josef aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes Statt?
Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk. Lied: Halleluja
Liebe Festgemeinde,
"Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott hatt etwas Gutes daraus gemacht", das ist das Ergebnis der Geschichte. Da erkennt ein Mann am Ende, dass auch die bösen Zeiten gut für ihn waren. Er erkennt selbst in den Menschen, die ihm übel mitgespielt haben noch die Güte Gottes
Böse Tage hat er wohl kennengelernt, der Josef, Zeiten, die sich tief in der Seele eingeprägt haben. Aber ohne diese tiefe Not wäre er nie das geworden, was er am Ende ist: Der mächtigste Mann eines Weltreiches. Die Josefsgeschichte ist von Generation zu Generation überliefert worden, nicht weil das irgendwann in der Vergangenheit geschah, sondern weil es so oder ähnlich immer wieder geschieht, ja, weil es sich vielleicht auch in deinem Leben so ereignet. Ich jedenfalls bin heute nach 35 Jahren hier zutiefst dankbar für manchen Traum der sich erfüllt hat, auch wenn es zwischendurch mal ganz schwierig war.
Josef - das ist im alten Testament eine traumhafte Geschichte und im Neuen wird daraus gar der Vater Jesu. Es beginnt mit den Träumen eines Jugendlichen. Kindliche Allmachtsphantasien, würden die Psychologen heute sagen. Sonne, Mond und elf Sterne neigen sich im Traum vor Josef, doch seine zehn älteren Brüder machen ihm sehr drastisch klar, daß Träume und Visionen das eine sind, die Realität der Welt aber etwas ganz anderes. Während er sich noch im Traum als Herr des Himmels sieht, landet er ganz real in der Tiefe einer Grube. In die werfen ihn nämlich seine Brüder, weil er ihnen mit seinen Visionen gewaltig auf den Geist geht und auch auf den Geldbeutel. Während sie nämlich die harte Arbeit von Kleinviehzüchtern machen, damit was reinkommt für die Sippe läuft ihr Bruder im feinsten Zwirn herum, und beansprucht die Führung, bloß weil er der Erstgeborene von Pappas Lieblingsdame ist. Zur Ehe damals gehörte noch, dass du auch mehr als einen Partner haben konntest und Erzvater Jakob hat also gleich vier mal geheiratet. Auch mit der in dieser Woche beschlossenen Ehe für alle geht das heute nicht. Es war auch damals schwierig, weil die Liebe nur zu einer ging. Rahel war seine Lieblingsfrau und Josef ihr Sohn. Der Boden der Tatsachen, auf dem der Träumer landet ist eine Zisterne, ein paar Meter unter der Erde und ohne jede Aussicht. Dort hat er dann wohl aus tiefer Not geschrieen - nicht mehr als Herr des Himmels, sondern zum Herrn des Himmels. Gehört haben es ein paar midianitische Kaufleute. Als Sklave wird er nach Ägypten verkauft in das Haus des Potifar, dem Chef der Leibwache des Pharao. Ende aller Visionen. Kein einziger Traum von ihm wird fortan mehr erzählt, aber es wird berichtet, wie er sich zielstrebig und selbstbewußt daran macht, die alten Träume in Wirklichkeit umzusetzen. Was ihn nun auszeichnet ist die Übersetzung von Träumen. Es stimmt wohl in den Visionen meldet sich die Zukunft an. Deshalb ist es wichtig auf sie zu achten. Sie zeigen Ziele. Sie geben die Kraft zum Handeln, aber sie ersetzen nicht das Handeln. Das hat er verstanden. Er flüchtet nicht in himmlische Traumwelten oder gar in den Stoff aus dem die Träume sind, sondern er wacht auf. »Von den Träumenden lebt jeder in seiner eigenen Welt, die Wachen aber teilen eine gemeinsame Welt« sagte der Philosoph Heraklit. Joseph macht sich daran, in dieser gemeinsamen Welt zu leben. Das beginnt damit, daß er zunächst sein Los akzeptiert, dass er ganz da ist, wo er steht: Von den Brüdern verkauft, als Sklave einsam und allein in der Fremde. Da kannst du wohl jammern und klagen über die Ungerechtigkeit der Welt und idiotische Menschen – Sünder hieß das früher – aber es hilft nichts. Was hilft ist: er nutzt nun wachen Auges die wenigen Möglichkeiten, die er noch hat. Und an der Stelle berichtet dann die Bibel zum erstenmal: »Der HERR, das Leben, war mit Josef, sodass er ein Mann wurde, dem alles glückte.«
Da begreift einer den Sturz in die Tiefe auch als seine Chance. Da findet er Gott in der Zeit seiner größten Not, und mit Gottes Hilfe gelingt ihm nun der Aufstieg zum Obersklaven bei Herrn Potifar, dem Leibwächter des Pharao. Potifar hat die Qualitäten des Mannes erkannt und läßt ihn frei wirtschaften. Aber auch Potifars Frau hat die Qualitäten dieses Mannes erkannt und hätte gern mehr. Wegen einer Bettgeschichte landet Josef dann im Prominentengefängnis von Ägypten.
Doch auch hier reagiert Josef auf diesen erneuten und aus seiner Sicht hinterhälitgen Sturz in die Tiefe nicht mit Wehleidsklagen oder Unschuldsbeteuerungen. Er lernt aus der Intrige, die ihn zu Fall gebracht hat. Mit wachen Augen sieht er die Chancen, sieht er die Menschen, die sich ihm in dieser scheinbar hoffnungslosen Situation bieten. So notiert die Bibel wiederum: »Aber der Herr war mit ihm und neigte die Herzen zu ihm und ließ ihn Gnade finden vor dem Amtmann und über das Gefängnis, so daß er ihm alle Gefangenen im Gefängnis unter seine Hand gab und alles was dort geschah durch ihn geschehen mußte.«
Dort zeichnet er sich nun nicht mehr als Träumer aber als Traumdeuter und Menschenkenner aus. Doch das alles nützt ihm wenig, denn im Gefängnis wird er zunächst vergessen. So hätte er da sitzen können bis an sein Lebensende, wenn nicht der Pharao von Alpträumen geplagt worden wäre. Alpträume, die so eindeutig sind, dass sie leicht zu erklären waren, die aber den Pharao dennoch in einer großen Ratlosigkeit zurückließen: Da steigen zunächst sieben fette Kühe aus dem Nil, die im schönsten Graße weiden. »Und nach ihnen sah ich sieben dürre, sehr häßliche und magere Kühe heraussteigen« berichtet der Pharao, »ich hab in ganz Ägyptenland nicht so häßliche gesehen. Und die sieben mageren und häßlich Kühe fraßen die sieben ersten, fetten Kühe auf. Und als sie die hineingefressen hatten, merkte man's ihnen nicht an, dass sie die gefressen hatten, und waren häßlich wie zuvor«.
Das ist der Alptraum eines Politikers: Die Rezession frißt die Erfolge der Wachstumsjahre auf. Und sie frißt auch die Herrschenden, die die Not in Gestalt von zunehmender Gewalt, von Rebellionen, Revulotionen oder in demokratischen Ländern dem Verlust von Wahlen zu spüren bekommen. Mit der Wirtschaft geht auch die Macht den Bach runter oder dem Fall den Nil.
Eine böse Geschichte, kann man denken, und selbst Angst bekommen, vor den Jahren die bei uns vielleicht nach gegenwärtigen Aufschwung kommen. Gott sei's geklagt kann man sagen, wenn man heute den Blick bange in die Zukunft wirft, den Klimawandel kommen sieht mit großen Dürren, oder die Inflation, die die Ersparnisse frisst, für die es keine Zinsen mehr gibt. Mancher klagt gar über Gott, der so ungerecht ist und mal gute und mal schlechte Jahre kommen läßt - böses Schicksal.
Nein, liebe Freunde, Gott denkt es gut zu machen. Das ist die Botschaft dieser Geschichte. Es geht gut aus! - das ist es, was die Evangelien verkünden. "Auferstanden von den Toten, aufgefahren in de Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes", so bekennen wir als Christen den Glauben an den guten Ausgang der Geschichte. Dieser Glaube an die Güte Gottes trotz aller und in allen Widrigkeiten des Lebens hilft, die Notzeiten durchzustehen. Er öffnet die Augen für das Gute, das da manchmal wie ein Schatz im Acker verborgen liegt. Josef sieht es.
»Gott wird dem Pharao Gutes verkünden«, das ist die Überschrift unter der Josef sich an die Deutung der Alpkühe des Königs von Ägypten macht. Nun zeigt sich, daß er die lange Zeit des Wartens nicht verträumt hat. Er hat sich auf diese Stunde vorbereitet. Nun nutzt er sie entschlossen.
Der Glaube an die Güte Gottes befähigt ihn dazu, dem Pharao die Lage nicht nur als schwierig und bedrohlich zu erklären sondern viel mehr als eine große Chance für ihn und sein Land. Nur muß man schnell und entschieden handeln.
Und wer eignet sich dafür besser als jener Mann, der bisher schon in den schwierigsten Lebenslagen Geistesgegenwart bewiesen hat.
Statt neuer Paläste läst er Getreidespeicher bauen, frei nach dem Motto: Spare in der Zeit, dann hast du es in der Not.
Die riesigen Vorräte in Ägyptenland erweisen sich als Segen für die Bewohner, und das Land wird dazu auch zur Konjunkturlokomotive für die Nachbarn. Als Wirtschaftsflüchtlinge läßt man sie herein, wenn ihnen Gras und Kapital ausgegangen sind und siedelt sie in diesem weltoffenen Land an. So kommen auch Josephs Brüder und sein Vater Jakob als Wirtschaftsflüchtlinge ins Land. Im Rahmen des Familiennachzugs siedeln sie sich an und werden ein Segen.
Doch dann stirb eines Tages Erzvater Jakob. Hatte die Achtung vor dem gemeinsamen Vater Josef bisher von der Rache für vergangene Untaten abgehalten, so könnte nun die Zeit der Abrechnung gekommen sein. Werden die Ausländer nun in die Wüste geschickt? Gehört ihre Religion jetzt nicht mehr dazu? Fragen, die auch heute da sind. Zwischen Einwanderer und schon länger Ansässigen tauchen sie da auf.
Die Brüder appelieren an Josef: Wir sind doch ein Volk. Wir haben eine gemeinsame Herkunft. Wir haben einen gemeinsamen Gott.
Und Josef weint. Jetzt also, am Ende, könnte sich der Traum erfüllen und seine Brüder würden sich vor ihm verneigen. Sie sind in seiner Hand. Doch nun zeigt sich: Josef ist ein Mensch mit einer tiefen Demut vor Gott. Er spricht fast wie der Weihnachtsengel: »Fürchtet euch nicht, Gott hat ja noch was Gutes daraus gemacht«. So wünsche ich Euch dies zum Schluß: dass ihr in all dem was Euch widerfährt - manchmal auch an ganz Traurigem widerfährt - noch die Güte Gottes entdeckt. Dass da in allen Irrungen und Verwirrungen der Geschichte der feste Glaube da ist: Gott hat Gutes mit dir vor. Die Geschichte geht gut aus. Mit diesem Glauben können wir hier schon mal auf das happy end, das gute Ende der Geschichte anstoßen und Gott loben und preisen.