Traupredigt Epheser 4, 2+3+15 - Nur die Liebe zählt (Liebe als Metareligion)
Trauspruch Epheser 4, 2b-3 + 15
Ertragt einer den andern in Liebe und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens.
Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist Christus
Alles Liebe, liebes Brautpaar, und herzlich willkommen, liebe Hochzeitsgemeinde aus Ost und West: Religiöse und Unreligöse, Protestanten, Katholiken oder Konfessionslose, Theisten oder Atheisten.
Es gehört zu dem wunderbaren Ereignis einer Hochzeit, dass hier in der Regel heutzutage sehr Vielfältiges an Weltanschauung, Religion und Kultur versammelt ist, und das ist gut so. Denn all dieses Verschiedene wird ja doch durch einen gemeinsamen Glauben geeint: Das ist die Liebe. "Alles Liebe" steht auf vielen Grußkarten. "Alles Liebe", darin sind wir uns im Geiste einig. Das Einzige, was hier wirklich zählt ist die Liebe. Die Liebe zweier durchaus auch gegensätzlicher Menschen lädt viel an verschiedenem Volk ein. Das ist das Band des Friedens. Wo noch keine Einigkeit ist, da bietet so ein Fest auch die Gelegenheit zu Friedensschlüssen: beim Sektempfang auf dem Kirchhof, bei einem guten Essen heute abend oder beim Tanze miteinander. Mögen sie viel Gelegenheit dazu haben. Eine solche Hochzeit - da wächst zusammen was zusammen gehört.
Zur Wahrhaftigkeit der Liebe gehört wohl auch die Unterschiedlichkeit der Gefühle dabei. Das darf auch ruhig gesagt werden. Die eine ist da --strahlend und mit großer Selbstverständlichkeit - in ihrer alten Heimat, der andere fühlt sich noch ein bisschem fremd, und es kommt erst mal darauf an, das alles hier zunächst zu ertragen - in Liebe zu ertragen.
Die Liebe ist das Absolute, Alles über Allem. Ob mit Kommunion, konfirmiert oder mit Jugendweihe, beschnitten oder unbeschnitten - all das spielt im Angesicht der Liebe keine Rolle. Nationalität oder Parteizugehörigkeit, Klasse oder Rasse müssen zurücktreten wenn es um die Liebe geht.
Selbst das Geschlecht ist kein Ausschlusskriterium mehr fürs Heiraten. Wenn die Liebe dahin fällt, dann verpartnern sich auch schon mal zwei Frauen oder zwei Männer, und man kann höchstens noch über die Zeremonien streiten, mit denen das geschieht und ob es auch dafür ein Ehegattensplitting beim Finanzamt geben soll. Doch wir sind hier nicht im Finanzamt sondern in der Kirche. Da zählt nur die Liebe, so sollte es jedenfalls sein. Wenn Zweie im Vertrauen darauf zueinander Ja sagen, dann sage ich als Pfarrer nicht Nein. Wer sich hier zueinander bekennt ist nicht mehr bekenntnislos.
Solche Liebe hat sich in der Geschichte allerdings immer wieder gegen andere Ansprüche durchsetzen müssen. Mancher von den Alten kennt solches Andere noch aus eigener leidvoller Erfahrung. Etwa wenn zu einer standesgemäßen Ehe gehörte, dass man auch im gleichen Stande blieb. Der Adel unter sich, die Bauern unter ihresgleichen und die Arbeiter auch. Katholisch durfte die Braut nicht sein, wenn man selber evangelisch war. Vom Rassenwahn des 3. Reiches und den damit verbundenen Heiratsverboten ganz zu schweigen.
Nur die Liebe zählt? Heute merken es Eltern oder Großeltern bisweilen noch am Bauchgefühl, dass bei manchen Ehen immer noch ein Unwohlsein aus alter Zeit mitschwingt, etwa wenn die kulturellen oder religiösen Unterschiede zu groß scheinen.
Als Bräutigam ein Schwarzer aus Ghana – da erzählt mir der ansonsten ja durchaus tolerante Vater, dass er nicht unbedingt begeistert in das Ja mit einstimmt sondern eher achselzuckend sagt: "Was soll ich machen, sie lassen sich ja doch nicht reinreden." Und erst die prächtigen Kinder aus der Beziehung versöhnen ihn. „Wir waren ja erst nicht so begeistert als er mit einer Marokkanerin“ ankam“, erzählt eine Schwiegermutter, aber wir haben dann doch eine sehr gute Schwiegertochter erhalten.
Gewiss – nicht immer geht das so aus und auch nicht immer so schnell. Doch Liebe fängt bisweilen auch damit an, dass wir zunächst lernen, einander einfach nur zu ertragen in all der Gegensätzlichkeit, und der Rest kommt mit der Zeit.
Nur die Liebe zählt. Glaube an die Liebe, das ist die Metareligion unserer Zeit, das Religionsübergreifende. Was einer sonst noch glaubt oder nicht glaubt, welche Zeremonien für ihn wichtig sind, das ist zweitranging. Es lässt sich ertragen, wenn er denn nur an die Liebe glaubt.
Der Glaube an die Macht der Liebe - im Grunde ist das eine urchristliche Geschichte aus der Zeit als die Christen noch gar nicht Christen hießen und die Taufe als äußeres Zeichen längst nicht überall in Gebrauch war. „Gott ist die Liebe“, schreibt der biblische Johannes. Er setzt damit ein Gleichheitszeichen zwischen Gott und Liebe. Ob du nun Gott sagst oder Liebe, das kommt aufs Gleiche heraus. Dann erzählt er noch die Geschichte von Jesus dazu, weil Liebe eben nicht nur was Geistiges ist, sondern auch irdisch und fleischlich, mit Leib und Blut und einer Liebesgeschichte voller Wunder und auch manchen Wunden. Da wird gegessen und getrunken. Da kommen 5000 zum open air festival zusammen. Es wird eine wunderbare Erfahrung trotz extremer Nahrungsmittelknappheit mit nur zwei Fischen und fünf Broten. Auch mancher Lahme kriegt wieder neue Lebenslust, und im Leiden erweist sich die Liebe stärker als der Tod.
Für euch war der Chat im Internet ein guter Anfang, es braucht zum guten Ende aber auch die leibhaftige Begegnung. Die feiern wir heute.
Allein die Liebe - das ist heute auch zum entscheidenden Qualitätskriterium einer Beziehung geworden. Ohne Liebe geht es nicht, geht es nicht gut. Dass in unseren Tagen auch die Scheidungen gestiegen sind liegt nicht daran, dass den Ehen die Liebe abhanden gekommen wär. Im Gegenteil, ohne Liebe will heute kein Paar mehr zusammen sein. Die reine Versorgungsehe – in der Nachkriegszeit mal ein gängiges Modell - das braucht heute kein Mensch mehr.
Auch wer sich scheiden lässt will meist ja nicht alleine bleiben. Er oder sie will eine bessere Beziehung mit einem Mehr an Liebe.
Die Alternative zur Scheidung ist dabei das "Miteinanderwachsen in der Liebe in allen Stücken". Also nicht nur geistig durch Studium und Beruf, sondern auch ganz leiblich in Gestalt von Kindern. Zur Trauung gehört auch, dass man sich Kinder zutraut. Die sorgen meist schon ganz von selbst für Wachstum und Reife.
Wenn einer aber das Gefühl hat: mit meinem Partner wächst so gar nichts mehr, da ist alles erstarrt, da dreht sich alles nur noch im Kreis; dann kann es zur Wahrhaftigkeit gehören, diesen Kreis zu verlassen - zum Segen für Beide.
Doch das muss nicht sein, und es muss auch nicht das Ende einer Ehe sein. Heute bitten wir Gott darum, dass er euch davor bewahre.
Ihr versprecht euch heute die Treue nicht nur für die guten, sondern auch für die bösen Tage. Wir wünschen euch dazu die Kreativität und Phantasie, die schöpferische Kraft Gottes, die Widerstände zu meistern und immer wieder hinter den martialischen Bildern von heavy metal, schwerem Metall, den netten und liebenswerten Menschen zu entdecken.
Der Epheserbrief gibt im 4. Kapitel dazu noch ein paar praktische Tipps, wie man sich die Liebe auch bei manchen Wachstumsschmerzen erhält. Nämlich: Bleibt bei klarem Verstand, redet die Wahrheit, und wenn es mal kracht und ihr Zorn aufeinander habt, so lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen. Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, Herumschreien und Lästern sei fern von euch. Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem anderen.
Nur die Liebe zählt. Ob wir nun Gott sagen oder Liebe, es ist die gleiche geheimnisvolle Erscheinung. Manchmal ganz da und offenbar und dann auch wieder völlig unsichtbar. An einem Tag wie heute fällt das Glauben leicht, da ist der Himmel offen und soviel zu sehen von wunderbarer Schönheit und guten Mächten. Zur Liebe gehört aber auch die Zeit ihrer Abwesenheit; die Zeit, in der die Sehnsucht wächst; Sehnsucht auf den Augenblick wo "zweie sich vis a vis begegnen und die Augen sich ganz tief ineinander saugen", wo nichts anderes ist als himmlische Liebe, die vollkommene Gegenwart Gottes "und sonst gar nichts"; "der Augenblick der Ewigkeit, den wir auf Erden haben".
Die Trennung durch die Zeit in Afghanistan hat bei euch auch einen wunderbaren Schatz an Liebesbriefen werden lassen. Ihr habt Glauben gelernt und sehnsüchtiges Hoffen auf die gute Heimkehr. Wir danken heute dem Himmel dafür.
Mag sein, dass man sich im Alltag manchmal einfach nur ertragen muss, einer den anderen tragen muss, dass dieses und jenes zu vergeben ist. Aber da könnt ihr euch ja auch gerne an den Anfang erinnern, damals beim ersten Rendezvous, als – so habt ihr mir es erzählt - er schon dachte: jetzt ist alles vorbei, ich habe alles vermasselt. Da hat sie ihn geküsst; nicht wegen guter Werke, sondern gut evangelisch "allein aus Gnaden". Damit ging eure wunderbare Geschichte erst richtig los. Im Vertrauen darauf werden bei allem was kommt auch immer wieder neue Anfänge da sein.