Fronleichnam mit Jesus
Veröffentlicht von Helmut G. Müller in Pfarrer in Wachenbuchen · 23 Juni 2011
Martin Luther meinte zwar, es wäre der schändlichste aller
Feiertage, aber da hat er Unrecht. Denn für einen evangelischen Pfarrer ist
Fronleichnam heute richtig erholsam. Einfach nur frei haben und nach Lust und
Laune machen, was man will., morgens um 10.00 Uhr die Sonne auf dem Balkon
genießen. Dann ein bisschen Radfahren: als Training für den Ironman mal kurz
durch die Hölle von Hochstadt, anschließend die Himmelfahrt über den Hühnerberg
und ansonsten einfach alles den Katholiken überlassen.
Abends kommt vielleicht sogar der Herr Jesus noch mal ganz
leibhaftig vorbei und dann ist es ein richtig schöner Tag.
Vor ein paar Jahren stand er jedenfalls mal just zu
Fronleichnam an der Tür des evangelischen Pfarrhauses und bat um eine
Unterkunft. Er hat sich’s gemütlich eingerichtet im Gemeindehaus, und wir haben
zu späterer Stunde noch ein wunderbares Abendmahl unter freien Sternenhimmel
gefeiert, Zum Glück hatten wir noch genügend Holzkohle da, einen Grill, Steaks
und Maiskolben und dazu noch ein gutes Bier. Während der Rauch zum Himmel
stieg, erzählte er von seiner Wanderschaft durch Europa. Wir hingen ihm an den
Lippen. Er ist ja im Laufe der letzten 2000 Jahre wirklich ziemlich viel in der
Welt herumgekommen. Was er da zu erzählen hat, da vergeht eine Ewigkeit wie ein
Augenblick.
Am nächsten Tag hat er mir auch noch sein Buch gezeigt. Da
war dokumentiert wo er schon überall gewesen ist, oder jedenfalls, wo man ihm
den Aufenthalt mit Unterschrift und Stempel bestätigt hat. Gerne und mit Stolz
habe ich hinein geschrieben und gesiegelt. „Evangelische Kirchengemeinde
Buchen, Fronleichnam 2006“.
Als er später noch mal vorbei kam, habe ich ihn gefragt, ob
er das nicht unangenehm findet: so in einer öffentlichen Prozession als
Leichnam durch die Straßen und Felder getragen zu werden. „Ach“, hat er
geantwortet, „das ist jedenfalls besser als das ganze Jahr in muffigen
Kirchenmauern zu liegen. Ein bisschen frische Luft tut gut und man sieht mal
was anderes. So eine Prozession ist was Schönes und kann sogar ein Heidenspaß
sein. Probier’s doch auch mal“. „Was“, sage ich, „ich als evangelischer Pfarrer
soll eine Fronleichnam’s Prozession machen, am Ende gar noch mit Weihrauch und
all dem Brimborium? Nein danke, vergiss es! Die Gemeinde hier erträgt ja schon
geduldig so manche meiner Verrücktheiten, aber das bestimmt nicht. Außerdem
habe schon genug Ärger mit dem Bischof, der versteht da keinen Spaß und der
alte Luther dreht sich auch im Grab herum.“
Doch er hat mich nur angelächelt, dieses unwiderstehliche
Jesus-Lächeln, wo du nichts mehr sagen kannst.Ein paar Tage später kam dann die
Anfrage, ob wir als Kirchengemeinde wieder beim Festumzug der Kerb mitmachen
und der Kirchenvorstand hat einstimmig beschlossen: Ja, das machen wir.
Allerdings waren für den Kerbumzug schon fast alle Traktoren
des Dorfes verplant. Am Ende fand sich noch ein alter Deutz Bulldog, Jahrgang
55, aber der Fahrer war im Urlaub und so besann sich der Pfarrer darauf, dass
er ja vom Bauernhof stammt und in seiner Jugend genügend Erfahrung mit altem
Deutz gemacht hatte. Die Kirche kam auf den Anhänger. Der Herr Jesus schickte
noch Großmutter Anna und Mutter Maria vorbei. Die setzten wir auf den kleinen
Wagen. Von dort grüßten sie dann als Himmelsköniginnen das ganze irdische Volk.
Der Deutz fuhr fast von selbst, so dass ich die Arme zum Segnen frei hatte
- für Christen und Heiden. Ja, selbst
der römische Dechant stand neidvoll am Wegrand und wäre fast als
Trittbrettfahrer auf den Traktor gesprungen. Aber ich trete schnell auf das
Gaspedal, der alte Diesel spuckt eine schwarze Wolke Weihrauch, mit einem Satz
und lautem Bobbern ruckt das Kirchlein voran. Ich schaue mich kurz um. Gott sei
Dank. Anna und Maria stehen noch am Glockenturm.
Ja, ich weiß schon was der Herr Jesus dazu sagt. Vielleicht
war es wirklich unhöflich, aber wenn der Dechant mich einlädt nächstes Jahr zu
Fronleichnam die Heilige Messe gemeinsam mit ihm zu feiern und auch alle
Protestanten am Abendmahl teilnehmen dürfen, dann überlege ich mir noch mal, ob
ich ihn mitnehme.
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