"Wir sind Papst"
Veröffentlicht von Helmut G. Müller in Pfarrer in Wachenbuchen · 20 September 2011
Wir sind Papst“ – während ich diese Zeilen schreibe wirft
der Besuch von Benedikt dem XVI. sein Licht voraus oder auch seine Schatten, je
nach Sichtweise. Noch im Gedächtnis haften geblieben ist die Schlagzeile der
Bildzeitung zur Wahl von Josef Ratzinger. „Wir sind Papst“, mancher hat sich
darüber geärgert, und das zu Recht, wenn man die Worte nationalistisch
versteht, etwa im gleichen Sinne wie „wir Deutschen sind Weltmeister“. Sie
ergeben bei hintergründigerer Lesart aber auch einen gut protestantischen Sinn.
„Wir sind Papst!“ - das lässt sich im Sinne von Martin
Luther’s Wort verstehen: „Was aus der Taufe gekrochen ist, das mag sich rühmen,
dass es schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht ist.“ So gesehen
beschreibt es eine Kirche von unten. Diese hat sich gut protestantisch längst
auch im katholischen Bereich fest etabliert und ist eine gute Basis für die
Ökumene. Umgekehrt gehören erhebliche Bauchschmerzen über die eigenen Bischöfe
der Landeskirchen schon traditionell zum evangelischen Empfinden. Sollten diese
gar den Anschein erwecken, sie würden über irgendwelche höheren Eingebungen
verfügen, die nicht grundsätzlich auch jedem Menschen offen stehen, so ist mit
gut begründetem Protest zu rechnen. Mit dem Eckpfeiler „sola scriptura“,
„allein die Schrift“, hat die Reformation die Berufung auf höhere Weihen als
Erkenntnisquellen abgelehnt, die allgemeine Lesekompetenz gefördert und die
Gründung von Volksschulen vorangetrieben.
Das Priestertum aller Gläubigen ist ein Wesensmerkmal
evangelischen Denkens. „Darum sind alle Christenmänner Pfaffen, alle Weiber
Pfaffinnen, es sei jung oder alt, Herr oder Knecht, Frau oder Magd, Gelehrter
oder Laie“, schreibt Martin Luther.
Jeder Christ könnte dementsprechend taufen, trauen,
beerdigen, Gottesdienst halten. Es ist allerdings in einer ausdifferenzierten
Gesellschaft sinnvoll, dass nicht jeder alles macht, aber jeder mit seinem
speziellen Beruf allen in guter Ordnung dient.
Die Spezialität des evangelischen Pfarrers ist dabei die
Kommunikation des Evangeliums.
Mit Lust und Freude tue ich dies vor allem dort, wo Menschen
danach fragen. So blicke ich zurück auf eine schöne Jubiläumskonfirmation. Der
Gottesdienst ist vor Jahren entstanden, weil Menschen aus den Gemeinden danach
gefragt haben und ihn mit organisierten. Gerne habe ich mich als Lobredner
(lat. Praedicator) auf den Krankenpflegeverein zur Verfügung gestellt und dabei
selbst einen Einblick gewonnen, wie das von der evangelischen Kirche
herbeigesehnte „Wachsen gegen den Trend“ gehen kann. Ich war bei der Feuerwehr,
habe das Bühnenstürmerfestival unserer Jugendtheatergruppen mit eröffnet, da
waren schöne Trauungen in Wachen- und Mittelbuchen, aber auch die sehr traurige
und zugleich trostvolle Beerdigung einer Märchenprinzessin.
Vielfältig geworden sind die Redesituationen. Gut geschmeckt
hat es meist auch, vom opulenten Hochzeitsessen
bis zum kleinen Imbiss beim „Abendmahl“. Eine Vielfalt von Mitwirkenden
bezeugte dabei mit ausgezeichnetem Können auch jenseits klassischer
Kirchlichkeit: „Wir sind Papst“.
0
Rezensionen